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Sabine Stöhr und Juri Durkot, Karl Schlögel und Esther Kinsky erhalten den Preis der Leipziger Buchmesse 2018

Den diesjährigen Preis der Leipziger Buchmesse erhalten Sabine Stöhr und Juri Durkot (Übersetzung), Karl Schlögel (Sachbuch/Essayistik) und Esther Kinsky (Belletristik).

 

Sabine Stöhr und Juri Durkot haben für den Suhrkamp-Verlag Serhij Zhadans "Internat" aus dem Ukrainischen übersetzt, einen Roman, der sich mit dem aktuellen Krieg in der Donbass-Region auseinandersetzt und das Leben und Sich-Selbst-Behaupten in Zeiten des Krieges und ständig drohender Gefahr veranschaulicht.

 

Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel erhielt den Preis für sein Werk "Das sowjetische Jahrhundert. Archäologie einer untergegangenen Welt" (erschienen im C.H.Beck Verlag). Das monumentale Werk befasst sich mit der Alltagskultur und den Machtinszenierungen des sowjetischen Kommunismus seit der Oktoberrevolution 1917.

 

Und schließlich wurde (wenig unerwartet) Esther Kinsky mit ihrem schon im Vorfeld viel beachteten Roman "Hain. Geländeroman" ausgezeichnet. Eine trauernde Ich-Erzählerin unternimmt mehrere requiemhafte Reisen und Wanderungen durch italienische Landschaften und reist durch Erinnerungen an Kindheit, Begegnungen und Verluste. Das Werk beweise in seiner abgründigen Traurigkeit die ästhetische Erhabenheit von Literatur, die kleine "helle Momente des Trosts" in der Schönheit von Sprache und Bildlichkeit hervorzubringen vermag. 

 

Mit dem Preis verbunden ist ein Preisgeld von 20.000 Euro pro Kategorie, eine verlängerte Fame-Spur in den Feuilletons und damit verbunden ein verstärkter Absatz für das aktuelle Werk. Und natürlich eine Aufwertung oder Bestätigung des symbolischen Kapitals (Anerkennung, Wiedererkennungswert, Einladung zu Lesungen, erhöhte Chancen auf spätere Nominierungen).

 

Literaturpreise haben eine auratische, objektivistische Anmutung. Der Titel legt sich gußeisern um den Autor*innen-Namen, und die ausgezeichneten Werke erhalten ein selbstlaufendes "Prädikat wertvoll", lesenswert. Eine solche Wahl ist immer auch subjektiv und von vielfältigen Faktoren abhängig. Fast schon entschuldigend lässt die Jury verlauten, dass es gerade der Abstimmungsprozess untereinander sei, der garantiere, dass keiner der ausgezeichneten TItel "falsch" sein könne.

 

Die Jury bestand in diesem Jahr aus Kristina Maidt-Zinke, Wiebke Poromka, Maike Albath, Alexander Cammann, Gregor Dotzauer, Burkhard Müller und Jutta Person, Personen aus dem inneren Zirkel der deutschen Literaturkritik. „Das Besondere an Leipzig ist, dass er nur von hauptberuflichen Juroren besetzt ist, also nur von Kritikern. Das merkt man an der Auswahl“, sagte Literaturkritiker Hubert Winkels in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.

 

In ihrer Einführungsrede verwies die Jury-Vorsitzende auf die seit Jahren bestehende Kritik an den Literaturpreisen, die in Deutschland jährlich eine "gut vierstellige" Anzahl erreichen. Damit nimmt die Literaturförderung in Deutschland weltweit einen führenden Rang ein; und der Witz, dass es hier mehr Literaturpreise als Autor*innen gebe, wird immer wieder kolportiert. Dennoch habe Literaturförderung gerade in Zeiten, in denen der Buchmarkt mit seinen Absatzzahlen kriselt und angesichts digitaler Zerstreung und Dekonzentration immer weniger Leser*innen sich überhaupt auf den Prozess des Lesens einlassen können, eine Berechtigung. Sie rückt Titel jenseits der Bestsellerlisten ins Zentrum der Aufmerksamkeit und orientiert sich im Gegensatz zu diesen nicht an Marktgesetzen, sondern an ästhetischen Kriterien wie Innovation, sprachliche Schönheit, Mut und Erhabenheit.

 

Dennoch ist die Auswahl der Preisträger*innen nicht unbedingt mutig oder innovativ zu nennen. Zwei Debüt-Romane sind untergegangen. Karl Schlögels vielfältige Werke erhalten seit Jahren ohnehin schon viel Aufmerksamkeit; und der Osteuropa-Boom bei Suhrkamp ist quasi ein Selbstläufer.

 

Für die Jurorinnen und Juroren begann ab November ein Lesemarathon, 400 Einsendungen gab es. Zwischenstation war die Nominierungen von 15 Titeln für die Shortlist in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung. Bei dieser Menge kann man davon ausgehen, dass nicht jedes Buch mit gleich viel Zeit von jedem Jury-Mitglied gewürdigt werden konnte. Individuelle Vorlieben, thematisch und sprachlich – und vielleicht doch eine leichte Neigung, das Bekannte mehr zu beachten, spielen in die Entscheidung hinein.

 

Revolutionär wäre es, wenn diese Wettbewerbs-Logik des Besten und der Siegerschaft, der die Menschheit nahezu archetypisch anhängt, einmal ganz durchbrochen würde und die gesamte Shortlist ausgezeichnet würde. Also 15 Preisträger*innen ohne wertende, hierarchisierende Hervorhebung, ein Geldsegen, der in die Breite geht. Und Aufmerksamkeit, die den Leser*innen die Wahl lässt, eigene Ranglisten zu erstellen, wenn so etwas denn wirklich nötig ist.

 

 

Die prämierten Titel

 

Esther Kinsky: Hain. Geländeroman. Suhrkamp-Verlag 2018, 287 Seiten, 24.00 €

 

Karl Schlögel: Das sowjetische Jahrhundert. Archäologie einer untergegangenen Welt. C.H.BECK 2018, 912 Seiten, 38.00 €

 

Serhij Zhadan: Internat (aus dem Ukrainischen von Sabine Stöhr und Juri Durkot). Suhrkamp-Verlag 2018, 300 Seiten, 22.00 €

 

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